Katastrophenhilfe ist kein Schnelldurchlauf
Michaela Szillat ist seit Oktober 2021 Fluthilfekoordinatorin der Caritas im Erzbistum Köln. Im Interview spricht sie über den Aufbau der Flutbüros, die Hilfeleistungen und zieht Bilanz.
An was erinnern Sie sich, wenn Sie an ihre ersten Tage in den Flutgebieten denken?
Michaela Szillat: Diese immensen Schäden waren so verstörend, dass man verstummte, wenn man auf die Wassermarkierungen schaut. Das war zutiefst beklemmend. In den ersten Monaten haben wir primär Soforthilfen an Betroffene ausbezahlt. 200 Euro Einzelfallhilfe, um akute Not zu lindern. Danach ging es darum, den Menschen in den zerstörten Gebieten bei der Beschaffung von Hausrat zu helfen. Sie erinnern sich sicher an die Berge von Schutt und Sperrmüll – vieles wurde von der Flut mitgerissen und war nicht mehr zu gebrauchen. Die Menschen standen vor dem absoluten Nichts.
Wie wurden die Hilfen organisiert?
Michaela Szillat: Zusammen mit den Orts- und Fachverbänden der Caritas in den betroffenen Regionen wurden Fluthelferinnen und Fluthelfer eingestellt, die die Menschen beraten und begleiten. So entstanden Fluthilfebüros in Euskirchen, Wuppertal-Beyenburg, Solingen-Unterburg, Düsseldorf-Gerresheim und im Rhein-Sieg-Kreis. In den ländlichen Regionen sind Beratungsbusse unterwegs, die nach Fahrplan definierte Haltestellen anfahren. Im Rhein-Erft-Kreis beraten Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen primär Familien, die von der Flut betroffen sind.
Welche Beratungen werden in den Büros angeboten?
Michaela Szillat: Primär geht es um die Frage: „Was steht mir eigentlich zu?“ Die Betroffenen sind verunsichert, schlagen sich mit Gutachten und Versicherungen herum. Wir helfen bei der Antragstellung von Wiederaufbauhilfen und weiteren Leistungen. Mittlerweile rücken zunehmend psychosoziale Bedarfe in den Blick. Einiges wurde von der Flut im wahrsten Sinne des Wortes hochgespült, was lange verborgen war. Auch sozialräumliche Projekte müssen neu aufgebaut werden. Und nach rund 18 Monaten Flut sind die Menschen am Limit. Die können nicht mehr.
Was treibt Sie und die Fluthelferinnen und -helfer an?
Michaela Szillat: Einige von ihnen sind selbst betroffen gewesen. Sich tagtäglich mit der Katastrophe auseinander zu setzen, befreit sie von der Ohnmacht, der sie in dieser Flutnacht ausgeliefert waren. Wir wollen, dass die Menschen in den betroffenen Regionen wieder über ihr Leben selbst bestimmen können. Und natürlich auch, dass wir auf zukünftige Katastrophen besser vorbereitet sind.
Wie lange wird das dauern?
Michaela Szillat: Katastrophenhilfe ist kein Schnelldurchlauf. Es ist ein menschliches Bedürfnis, rasch wieder zur Normalität zurückkehren zu wollen. Aber jeder Mensch trägt in sich einen individuellen Zeitpunkt, Hilfe anzunehmen und das Erlebte zu verarbeiten. Für uns als verbandliche Caritas ist das Wichtigste, dass wir nah bei den Menschen bleiben, solange sie uns brauchen.
© Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V.
Redaktion: Markus Harmann (verantwortlich), Barbara Allebrodt, Pia Klinkhammer, Sandra Kreuer, Anna Woznicki, Michaela Szillat
Grafik / Layout: Birte Fröhlich, www.bird-design.de
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